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Auch für mich heißt es: Bye Bye - der Sommer ist vorbei.

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Auch für mich heißt es: Bye Bye - der Sommer ist vorbei.

Für mich erst seit wenigen Tagen spürbar, dafür heftig. Deshalb jetzt noch schnell notatka numer 5: Aufzählungen von Trieb & Verstand im Sommer und Urlaub sowie Gedanken zum Nichtarbeiten.

oliwia marta haelterlein
Oct 1, 2022
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Auch für mich heißt es: Bye Bye - der Sommer ist vorbei.

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Um diesen Sommer abzuschließen - und es ist mehr als höchste Zeit, da das Draußen sich so schlagartig verändert, dass mir diese Sommer-notatka schon phantastisch erscheint - habe ich meine Notizen von August und September zum Abschied sortiert.

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Diese Sommer-notatka sollte bereits in den Ferien in Südfrankreich entstehen. Alleine diesen Satz aufzuschreiben fühl sich falsch an. Kurz vor Abfahrt habe ich

And a “vacation” is not a vacation if you’re working, that’s called remote working, okay folks?

in Abigail Bergstroms - Did I Accidentally Make Burnout Look Gamorous gelesen und es hat mich an mich erinnert. Daran, wie ich diesen Satz ständig zu anderen Menschen sage. Weil ständig arbeitende Menschen mich reizen. Daran, wie ich auch auf mich aufpassen muss. Daran, wie viele Menschen ich in meinem Leben habe, die sich durch ihre Arbeit alles andere aufbauen wollen oder zerstören lassen. Daran, dass ich mir versprochen habe, Urlaub nie ausfallen zu lassen.

Gleichzeitig fühlt sich für mich “nicht zu arbeiten” un-möglich an, da für mich “arbeiten” ständig im Kopf passiert. Mit dem Nachdenken, Lesen, Schreiben in mein Notizheft und Spinnen von Ideen für Texte, Projekte, Begegnungen. Es arbeitet ständig in mir. Ich arbeite ständig mit meinem Umfeld. Ich reagiere. Auch wenn ich (noch) nicht den für mich richtigen Kanal gefunden habe, die verdauten Reaktionen zu präsentieren. Das Notizheft ist nur ein Parkplatz. Ich denke oft an Chris Kraus, die in mehreren Büchern davon schreibt, wie ihre Ideen und ihre Kunst so riesig und komplex in ihrem Kopf sind und wenn sie dann nach draußen gelangen, oft überhaupt nichts mehr mit dem da Drinnen zu tun haben. Nicht annähernd die Komplexität und Schönheit haben. Genauso geht es auch mir (noch).

Arbeiten und nicht-arbeiten hat mich den Sommer viel beschäftigt. Das Verdauen und den Kanal suchen, auch. Und selbstverständlich mein anstehender Studienbeginn in Leipzig, am DLL.

Es folgt eine Aufzählung von Trieb und Verstand: Ich gehe, ich sehe, ich schmecke, ich lese, ich flüchte, ich höre, ich rieche, ich schreibe, ich denke, ich träume, ich schaue, ich falle - meine Sommer-Transfusion.

Ich gehe

an einem vertrockneten Dorfbach entlang
im Durchschnitt 10 km zu Fuß
zum See
zum Meer
über Laub
auf spitzen Steinen
auf Sand
mit Kühlbox
in Flip Flops
in Laufschuhen
in Wanderschuhen
in Wasserschuhen
zum EKZ
zum Wasserfall
auf Baumstämmen
über Äste
auf Gras
auf Matsch, der noch vor wenigen Wochen von Seewasser bedeckt war
auf kleinen Steinen
ohne Schuhe
im Bikini
am Küstenrand
auf Orten, die vor Monaten noch unter Wasser waren
und sinke
zwischen Palmen
in weißen Flipflops überall hin
auf Wasser
mit den nicht mehr weißen Flipflops
auf gesperrten Flächen
in Wasser
unter Wasser
auf Privateigentum
und rutsche mit nassen Füßen
morgens zum Sonnenaufgang
abends zum Sonnenuntergang
auf öffentlichen Plätzen
zum Vollmond
voraus
trotz Wellen
an einer grünen Schlange vorbei
zurück
auf einem Weg und trete auf eine braune Blindschleiche
einen Weg zwei Mal, weil ich mich verlaufen habe
mit Coffee spazieren
und drehe mich um
und habe Angst
und habe Spaß
und renne
und stampfe mit den Beinen
zum Bouleplatz
fast nicht mehr ohne Begleitung irgendwo hin

Ich sehe

meinen Bauch
meine Füße
die Bäume gelb und braun werden
das Wasser weniger werden
Menschen schwitzen
keine Uhrzeiten
Haare überall
Sand in der Dusche
Meeresschaum
Seesterne
Quallen
Rote Pilze
Leoparden-Schmetterlinge
weiße Streifen
Sonnenbrand
Zitronenfalter
Muscheln
Steine
Glasscherben
Haargummies
Wasser wie Spiegeloberflächen
Wasser wie Lupenglas
durchsichtiges Wasser
meine Füße nicht
Türkis
Grün
Blau mit Grün und mit weniger Grün
Perlmutt
Fische, deren Namen ich nicht kenne
schwingendes Seegras
Fische, die mir keine Angst machen
Algen
Die Person mit dem Haifisch aus Marseille wieder
rosa und lila-blassblaue Sonnenaufgänge
Sonnenuntergänge in rot, gelb, lila, pink
Mein Blut im Meer
Mein Blut im Wald
Mein Blut auf der Klobrille
Weißen Vollmond
Orangefarbenen Vollmond
Einen Vollmond, wie einen riesigen Scheinwerfer so hell
Schluchten-Geier
meine dreckigen Füße auf dem Raststättenklo

Ich schmecke

Tomaten
Nektarinen
Pfirsiche
Mirabellen
Feigen
Warmes Brot aus der Pfanne
Erdnussbutter
grüne Oliven
schwarze Oliven
Knoblauch
Gefrorene Wassermelone
Eiswürfel
Erdbeeren
Himbeeren
Heidelbeeren
Spinat
Holunderblütensirup
eiskalten Matcha Latte
Sprudelwasser
Gurke
Grüner Apfel Eis
Aprikoseneis
Limetteneis
Pinienkerne
Rosmarinhonig
Cidre
Lavendel
Honigmelone
Salzige Haut
Weintrauben
Mückenspray
Scharfes Olivenöl
Bitterschokolade
geröstete Pekannüsse
Rosmarin
Thymian
Zitrone

Ich lese

Tyler Feder Körper sind toll
Lea Schneider Scham
Nada Alic Bad thoughts
Chris Kraus Torpor
Rachel Cusk Der andere Ort
Andrea Abreu  So forsch, so furchtlos
Caren Beilin Revenge of the scapegoat 
Julia Cameron The Artist Way
Jessica DeFino The Unpublishable
Sari Botton Oldster Magazin
Lee Tilghman Pet Hair on Everything
Sara Peterson In Pursuit of Clean Countertops
Zeba Talkhani Zeba´s Newsletter
Abigail Bergstrom Something to say
Abigail Bergstrom What a shame
Sophie Rebmann MÓJ POLSKI SKARB – MEIN POLNISCHER SCHATZ
Olivia Kortas Ein Letzter Weg
Dépot PAIN  
Rue Paradis

Ich flüchte

während einer anstrengenden Fahrradtour
vor einer Person, die ich gerade nicht wiedersehen möchte
vor einer Herde Thüringer Kühe und schreie: Hey! Nein! Hört auf mich zu verfolgen!

Ich höre

Mother Country Radicals
Hidden Brain
Weinkorken ploppen
Bedouine
Best friend therapy
Emma Reed Turrell Please yourself
Elissa Washuta White Magic
Autos hupen
gar keine Autos
Immer noch keine Musik
Eine polnische Pflegekraft wehrt sich - “Wenn ich nicht kämpfe, wer sonst?”
Einen Bericht über eine Schlucht und einen künstlichen See
Eine Korrektur über diesen Bericht
Sprachnachrichten von Menschen an anderen Orten
Wellen
Rauschen
Regen
Wind auf Plastik
Tonaufnahmen

französisches Popmusik im Autoradio

Ich rieche

Salz
die Farbe Grün
Grillkohle
Koriander
Piniennadeln
meinen Schweiß
meine Schuhe
Hundepfoten
Hundemundgeruch
Nelken
Pfefferminz
Getrocknete Immortellen
Lavendel
Verbrannten Lavendel
Ammoniak
Arme Ritter
Kaffee
Zigarettenstummeln im Sand
Sonnencreme

Ich schreibe

in mein Notizheft
in das Buch, das ich lese
Morgenseiten
Tagebuch
Nachtseiten
meine Träume auf
überhaupt nicht
in meinem Kopf Liebesbriefe
“but a scapegoat is addicted to justice”
Loveletter an Autorinnen
Affirmationen
über Abtreibung in Polen
über die Pille danach in Polen
über versteckte Schwangerschaft in Polen
„Schönheits-neutrality hört auf bei Hautunreinheiten“
über Glück, welches aus Produktivität gezogen wird
über Wertigkeiten
„du Pseudo-Anti-Kapitalistin“
„du Pseudo-Anti-Neoliberale“
über Anarchie
“warum die eigene Meinung einer fiktiven Protagonistin überstülpen und ein schlechtes Fiction-Buch schreiben, anstelle eines Essays?”
über Musikunterricht in der Schule
keine Emails
über das Kajakfahren
das Meer
den See
das wenige Wasser
das warme Wasser
die vielen Steine
oft “raff”

Ich denke

darüber nach, was eine Revolution ist
darüber nach, ob ich ohne Arbeit leben könnte
ob ich in meiner Beziehung Spaß habe
ob ich beim Schreiben Spaß habe
wann ich Spaß habe
was Spaß haben überhaupt heißt
ist das fair?
über Motivation nach
über Ziele nach
an eine Choreographie, die inspiriert ist von tanzenden Pflanzen
an Burnout
an Langeweile
an Bourout
an französische Grammatik
an Hundeverbotschilder
„ist das gerade fair?“
über Zeitgefühl nach
an Schutzmechanismen
an Sommerloch
„zu viele Bücher“
an Sommerferien
an Sommerdepression
Rebellion
an meine Eierstock-op
Zysten
an Wachstum in der Beziehung
an meine innere Stimme und frage mich, woher sie kommt
an reiche Menschen
an „ganz normale“ Menschen
an Menschen mit Familie
Schuld
Kritik
dass Mini- und Midijobs verboten werden sollten
an Altersarmut
an Superwoman sein
Nachahmung
Förderung
Vitamin B
ob es mein Ziel war, glücklich oder klug zu werden?
über Schach spielen nach
„keine Frau aus meiner Familie kann schwimmen“
warum werde ich zum Schluss immer unkonzentriert?
lesen ist mein Sex

Ich schwimme

jeden Tag im Meer
frühmorgens
nachts
das erste Mal nackt bei Vollmond, wie die Menschen in den Filmen

Ich träume

soviel, dass ich Stunden brauche, um mich zu erholen.
von Menschen, die ich seit Jahren nicht gesehen habe.
von Babys, die ich nur von Fotos kenne.
und bin dort dieselbe Person wie im Wachzustand
von Sheila Heti und Miranda July. Ich werde von Sheila zu einer Probe von Mirandas neuer Performance eingeladen, dort liegt auch mein Buchexposé - übersetzt ins Englische mit unzähligen roten Markierungen. Sheila gibt Miranda geniale Regieanweisungen und Miranda tanzt mit Fäden, die vom Himmel herabhängen. Ich finde keine englischen Formulierungen, um mich künstlerisch in den Probenprozess einzubringen.

Ich schaue

Lebt wohl Genossen!
Handmaids Tale 4
On the Rocks
Everything Everywhere All At Once
Parallele Mütter
Girls
Physical
Roar
Drei Farben Weiß
The Morning Show
im Sommer weniger als sonst

Ich falle

Auf mein linkes Knie
Auf meinen linken Oberschenkel
Auf meine rechte Hand
mit dem Kopf gegen das Regal, die Küchentür, die Autotür
im Traum von einem Tisch
…

Es war Sommer.

Bye Bye!

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